[von und mit: meiner familie] von meinen Wurzeln, dem Schwarzwald und zwei Schweinen

Bratwurst trickytine
ACHTUNG: in diesem post berichte ich von einer hausschlachtung, und es sind fotos von schlachtszenen zu sehen. dies möchte ich euch vorab mitteilen, und es sollte jetzt bitte jeder selbst entscheiden, ob er ab hier noch weiterlesen möchte, oder diesen bericht lieber weg klickt. vielen dank!

hallo! mein name ist trickytine, und ich esse fleisch.

das klingt fast wie ein coming out, und so soll es auch sein. denn – bei all den bildern und berichten aus der industriellen fleischindustrie stelle ich mir regelmäßig die frage: möchte ich das für mich? will ich das essen? möchte ich, dass diese tiere für mich so gemästet, gequält und geschlachtet werden? unsere fleischeslust ist groß wie nie, fleischwaren kosten in bekannten discountern centbeträge, die fleischindustrie schlachtet im akkord hinter hohen mauern millionen von tiere. und wir sollen dann die abgepackte bärchenwurst mit dem lustig-bunten packaging, das TK-suppenhuhn für 1,99 eur oder den billigbacon im angebot kaufen. nie war der verbraucher wohl entfernter von dem, was hinter diesen fleischwaren steckt. nämlich ein lebewesen.

diese tonnen an abgepacktem fleisch und wurst, diese massen, die da täglich für uns produziert wird, machen eines mit uns: totale entfremdung von dem tier. für mich wurde genau dieser aspekt an diesen zwei tagen während der hausschlachtung im schwarzwald total real. riechbar. spürbar. das abstrakte, was so ein steak auf dem teller doch manchmal ausstrahlt, das bekam an diesen tagen augen, einen körper, ein wesen, ein leben. dieser beitrag handelt davon, was es bedeutet, fleisch und wurst ganz bewusst für den eigenen bedarf zu produzieren. die tiere dafür großzuziehen, mit haushaltsabfällen und gutem futter. mit einem großen stall, warmen uv-licht, einem auslaufbereich, wo sich die tiere in der sonne im dreck suhlen und sauwohl fühlen dürfen.

back to my roots. eine hausschlachtung im schwarzwald.

ja, das klingt vielleicht alles nach einem schönen schweineleben. und trotzdem wurden an diesem wochenende zwei tiere geschlachtet, denn das war ihre bestimmung als nutztier am hof. diese tradition lebt dort seit jahrhunderten, und wird von meinen cousinen und cousin fortgeführt, genau so, wie ich es aus meiner kindheit kenne, als wir bei meinem onkel und meiner tante zu besuch waren. als nun vor ein paar monaten die einladung zum schlachten kam, schwankte ich zwischen neugier und angst. was würde das mit mir machen, live bei einer schlachtung dabei zu sein? würde ich dem tier in die augen schauen können? würde ich das geschlachtete tier essen können? final kann ich euch sagen: ja, ich habe es gegessen. und ich habe wohl nie demütiger eine schlachtplatte genossen, als diese. und bevor ich den ersten bissen nahm, da schloss ich fest die augen und habe diesen beiden tieren gedankt, aus tiefstem herzen. dafür, dass sie uns dieses mahl geschenkt haben. und für eine wahrhaft eindringliche und bleibende erfahrung, die ich ohne die beiden so wohl nie gemacht hätte.

die tötung des tieres und das zerteilen erfolgte durch einen metzger. das ist gesetzmäßig festgelegt, um eine schlachtung durchführen zu dürfen. das schwein wird dabei durch einen stromschlag betäubt und wird bewußtlos. dann wird es kopfüber aufgehängt, und der metzger setzt einen gezielten stich in die hauptschlagader am hals – dann geht alles ganz schnell. das tier blutet aus, dabei hilft auch das noch klopfende herz und eine art pumpende bewegung des metzgers am vorderlauf. dabei wird das blut in eimern aufgefangen und direkt aufgeschlagen, um die gerinnung zu vermeiden. jetzt ist das schwein tot – und hat nichts gespürt, denn es ging alles rasch und effektiv über die bühne. wenigstens ein kleiner trost, wie ich finde. danach wird das schwein in einer wanne mit heißem wasser abgebrüht, die borsten abgeschrubbt, und es wird abgeflammt. das tier wird dann aufgehängt, aufgeschlitzt, die eingeweide werden entfernt und dann wird es zerteilt. wichtig ist auch die fleischbeschauung durch einen fachmann, welche vorab beim veterinäramt angemeldet werden muss. dabei wird das fleisch begutachtet, proben entnommen und mit einem offiziellen stempel zur verarbeitung und zum eigenen verbrauch freigegeben.

from nose to tail.

was mich besonders beeindruckt hat: das schwein wird komplett verwertet, from nose to tail. die klassischen fleischteile werden zu schnitzel, hackfleisch, gulasch verarbeitet und vakuumiert. der bauchspeck wird mit einer selbst gemachten salz- und gewürzemischung eingesalzen und im keller in großen töpfen eingelegt, dann nach ein paar wochen gewässert und in der eigenen kammer geräuchert. der kopf wird ausgekocht und kommt in teilen mit in die wurst. das gehirn wird mit ei angebraten und zum vesper serviert. die zunge wird ebenfalls gekocht und kommt in die wurst. weiterhin werden leberwurst, bratwurst gekocht und geräuchert sowie schweineschmalz hergestellt. das blut wird direkt nach dem schlachten im eimer aufgeschlagen, und am nächsten tag werden die flüssigen bestandteile zu schwarzwurst verarbeitet. die festen blutbestandteile, die sogenannte blutrose, die sich am nächsten tag oben absondert, fressen die hennen für ihr leben gerne. sogar die schweineohren werden aufgehängt und getrocknet, worüber sich der hofhund freut, der sie als leckerli bekommt.

so werkelten wir also alle im eigens dafür modernisierten schlachtraum einen tag gemeinsam vor uns hin: manche schnitten den speck, der in die blutwurst kam, ich schmeckte den rohen wurstteig für die bratwurst ab (ein geiles zeugs!) und es blieb auch genug zeit, um uns über unsere eltern auszutauschen, wir schwelgten in gemeinsamen erinnerungen, lachten und hatten auch nachdenkliche momente. der metzger peter zerteilte das fleisch, befüllte die würste, und drehte sie zum teil von hand ab – er hat sein handwerk wirklich von der picke auf gelernt, und sein großvater hatte früher schon auf dem hof die schlachtungen durchgeführt. er teilte sein wissen großzügig mit uns und wir tauschten uns angeregt mit ihm aus und lernten wahnsinnig viel von ihm. die herstellung der einzelnen wurst- und fleischwaren hatten einen festgelegten plan: zuerst wurde die fleischmasse für die bratwurst angesetzt, diese wurden dann in gläser abgefüllt, für die anschließende garung und haltbarmachung im heißen wasserbad. der rest wurde in därme abgefüllt, und ein teil abgekocht, der andere teil ging in die räucherung. danach folgten die leberwürste, auch die wurden im wasserbad gegart. und zum schluss – weil die größte sauerei (was ein wort in diesem zusammenhang, fällt mir gerade auf…) -wurden die zungen- und blutwürste hergestellt.

ein eindrücklich schöner tag bei meiner familie.

nebenher kochten wir draussen auf dem alten holzofen meiner tante kesselweise sauerkraut, um das gemeinsame essen vorzubereiten. traditionell gibt es nämlich nach diesem tag eine schlachtplatte, genannt „metzelsupp“, für die dann alle würste, kesselfleisch, sauerkraut und kartoffelbrei zur verkostung für die große familienrunde aufgetischt werden. dazu gab es einen köstlichen, selbstgemachten apfelmost und danach – selbstverständlich – noch einen selbstgebrannten schnaps bzw. schlehenlikör, den meine tante vor jahren noch gemacht hatte.

und als wir nachmittags nach der arbeit dann alle so gemeinsam um den großen tisch saßen, uns die köstlichkeiten auf den tellern verteilten, mit dem most anstießen und uns sagten, wie schön und unvergesslich dieser tag für uns alle war – da wurde mir mal wieder ganz bewusst, wie eng wir doch mit unserer familie verbunden und verwurzelt sind. wir wurden so warm, so lieb und mit ganz offenen herzen empfangen – und egal, ob das letzte wiedersehen vor jahren war, oder vorgestern. blut ist tatsächlich dicker als wasser. und das ist eines der größten geschenke, die das leben für uns bereit hält.

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fleisch und wurst aus der hausschlachtung für den eigenverbrauch.

das fleisch und die wurst teilen meine cousinen und mein cousin unter sich für den eigenverbrauch auf, und leben davon bis zur nächsten schlachtung. die nächsten beiden ferkel sind dafür schon auf dem hof eingezogen, und als ich die beiden in ihrem stall sah, da wusste ich – ihr werdet hier ein gutes leben haben. ein besseres als die zigmillionen eurer artgenossen, die zusammengepfercht, ohne sonnenlicht, dafür mit mastfutter und antibiotika, in einer brutalen maschinerie ihr kurzes leben verbringen müssen.

ja, mein name ist trickytine, und ich esse fleisch.

ob dies nun falsch oder richtig oder moralisch vertretbar ist? das kann ich euch nicht beantworten. aber es ist eine entscheidung – und zwar meine eigene. ich denke, dass wir alle jeden tag unser tun und unser leben überprüfen und die verantwortung für unsere entscheidungen übernehmen sollten, und jeder durch kleine veränderungen in seinem leben große dinge bewegen kann. und dank der wichtigen lektion zweier besonderer schweine werde ich zukünftig meine ernährung, mein konsumverhalten und meine lebensweise noch stärker beleuchten und in frage stellen. ich finde, das bin ich den beiden schuldig.

wie schön, dass ihr diesen beitrag bis hierher gelesen habt! danke dafür!
un besito, eure trickytine ♥

Deine trickytine

tricky
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